Wurde die Bibel verändert?
Wurde die Reinkarnationslehre aus der Bibel entfernt?
Oft erreichen uns Mails, in denen die Glaubwürdigkeit der Bibel in Frage gestellt wird. So seien beispielsweise beim Konzil von Nicäa (325 n.Chr.) Veränderungen an der Bibel oder am Neuen Testament vorgenommen worden oder missliebige Passagen ganz entfernt worden.
Insbesondere kursiert das Gerücht, dass die Reinkarnationslehre ursprünglich Bestandteil der Bibel und Teil der Lehre Jesu Christi gewesen wäre. Schlüssige Belege sind hierfür jedoch nie genannt worden. Es scheint, als hätte sich hier, insbesondere im Internet, eine Behauptung verselbständigt, welche nun die Runde macht, von vielen gelesen wird und ungeprüft vom Betrachter übernommen wird.
Doch stimmt es, dass die Bibel ursprünglich die Reinkarnation lehrte? Ist die Bibel und insbesondere das Neue Testament verändert worden? Was wurde wirklich auf dem Konzil von Nicäa entschieden?
Zunächst sollte der Zeitpunkt des Konzils betrachtet werden. Das Konzil von Nicäa fand 325 n.Chr. statt, also im vierten Jahrhundert nach Christus. Es existieren aber Abschriften von Teilen des Neuen Testamentes, die weit älter sind als das vierte Jahrhundert. So gibt es Handschriften, die aus dem dritten oder zweiten Jahrhundert stammen. Leicht kann man so vergleichen, ob die heute zu kaufenden Neuen Testamente diesen Handschriften entsprechen, was der Fall ist.
Die griechischen Handschriften, die uns bislang zur Verfügung stehen, befinden sich weltweit an verschiedenen Orten, vor allem in Bibliotheken und Museen. Es gibt das Institut für Neutestamentliche Textforschung in Münster (http://egora.uni-muenster.de/intf/). Dort findet sich auch eine Handschriftenliste, der die einzelnen Handschriften und ihr Aufbewahrungsort entnommen werden können:
http://ntvmr.uni-muenster.de/liste
(Auf das Feld „place“ klicken, dann erhält man eine Übersicht über die Aufbewahrungsorte).
Beispiel: Die Handschrift mit der Dokumenten-ID 10090 (aus dem Jahr 100-199 n.Chr.) findet sich hier:
http://ntvmr.uni-muenster.de/manuscript-workspace/?docID=10090
Was das Konzil von Nicäa betrifft, so wurden dort keine Veränderungen am Neuen Testament vorgenommen. Im Internet kursieren Gerüchte, die das behaupten schon seit längerem. Auch der Roman „Sakrileg“ von Dan Brown (engl.: The da Vinci Code) tat hier sicher sein Übriges. 2006 erschien dazu das Buch „Das wahre Sakrileg“ von A. Schick, in dem dieser Behauptung entgegen getreten wird.
Auf dem Konzil ging es vor allem um die Frage der Stellung Jesu Christi. Verworfen wurde dort die Lehre des Arius, der Jesus als ein erstes, geschaffenes Geschöpf betrachtete. Diese Vorstellung war jedoch ohnehin nie Bestandteil der Bibel, also musste auch nichts verändert oder verfälscht werden. Die Gottheit Jesu wird im Neuen Testament seit jeher vorausgesetzt und wird lediglich von Sondergruppen oder Sekten (z.B. Zeugen Jehovas) bestritten.
Es gibt zudem überhaupt keinen Hinweis darauf, dass die Reinkarnationslehre je Bestandteil des Neuen Testaments gewesen war und irgendwann daraus entfernt worden ist. Das Neue Testament ist hier ganz eindeutig:
Hebräer 9,27 „Und wie es den Menschen gesetzt ist, einmal zu sterben, danach aber das Gericht“ (Elbf. Übers.)
In diesem Vers sowie im ganzen Kontext dieser Bibelstelle geht es um das Einmalige und Unwiederholbare. Im griechischen Original wird für „einmal“ sogar das Zahlwort verwendet.
Zum Institut für Neutestamentliche Textforschung in Münster gehört ein Bibelmuseum (http://www.uni-muenster.de/Bibelmuseum/), bei dem auch Führungen möglich sind. Ich biete gerne an, hier eine Bildungsreise Interessierter nach Münster zu organisieren (Bei Interesse bitte bei mir melden).
Ich hoffe, den kursierenden Gerüchten über eine verfälschte Bibel etwas den Wind aus den Segeln genommen zu haben. Gerüchte, die sich hartnäckig halten, sind aber stets schwer zu entkräften, es bildet sich hier gewissermaßen eine Eigendynamik. Doch der Weg, sich selbst sachkundig zu machen, steht jedermann frei und ich möchte dazu herzlich einladen.
Eckart
Literaturhinweise:
– Ein Standardwerk zur Geschichte der neutestamentlichen Textüberlieferung: K. und B. Aland, Der Text des Neuen Testaments, Stuttgart 1982 (und weitere Auflagen)
– Eine ältere Darstellung ist: Hans Frhr. v. Campenhausen, Die Entstehung der christlichen Bibel, Tübingen 1968
– Eine neuere Darstellung (auf Englisch) ist: H.Y. Gamble, Books and Readers in the Early Church, New Haven 1995
Die ehemals für das lichtliebend-Projekt erstellte Schulung findet über achtung-lichtarbeit statt. Dort zu finden auch ein Beitrag zum Thema „Wurde die Bibel gefälscht?„